Subjektive Lebenslagen – ilex im Plus

Seit 2007 erhebt infas den ilex, ein Maß zur subjektiven Lebenszufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Dieser Index soll ganz bewusst das subjektive Lebensgefühl und nicht objektive Indikatoren abbilden. Diese sind an anderen Stellen in zuverlässiger Form verfügbar. Anfang 2015 wurde die inzwischen siebte ilex-Messung durchgeführt. Wie auch in den Erhebungen zuvor wurden 1.500 Menschen telefonisch zu ihren Bewertungen in Sachen Lebenszufriedenheit und Teilhabe befragt. Während die Erhebungen zwischen 2007 und 2014 ein langsames Öffnen der sozialen Schere zeigten, bei der sich die Abstände dieses subjektiven Indikators zwischen „oben“ und „unten“ schrittweise vergrößerten, liefern die letzten beiden Jahre 2014 und 2015 ein anderes Bild.

Anfang 2015 ist ein deutliches Anwachsen der subjektiven Lebenszufriedenheit zu verzeichnen.

Der Index ist normiert auf einer Skala von 0 bis 100. Je höher der Wert, desto besser die subjektive Empfindung der Lebenslage. Anfang 2014 war der Abstand zwischen den Befragten, die sich selbst als Angehörige der „Unterschicht“ einstuften, und denen, die sich der „Oberschicht“ zugehörig fühlen, auf ein Maximum von 42,5 Punkten angewachsen. Verantwortlich dafür war vor allem ein gegenüber den Vorjahren besonders niedriger Wert in der ersten Gruppe. 2015 verändert sich dies deutlich, sowohl oben wie unten. Die Indexwerte für die „obere“ und „untere“ Mittelschicht bleiben stabil. Der Wert für die „Oberschicht“ sinkt dagegen sehr deutlich, während der Index für die Angehörigen der „Unterschicht“ ein starkes Plus verzeichnet. Im Ergebnis reduziert sich der Abstand zwischen beiden Segmenten von 42,5 im Jahr 2014 auf nur noch 28,5 im Folgejahr. Damit stellen die Jahre 2014 und 2015 die Extreme der bisherigen Zeitreihe dar. 2014 im negativen und 2015 im positiven Sinn. Dabei ist 2015 auch mit Blick auf den Gesamtwert des ilex über alle Bevölkerungsgruppen hinweg ein Extrem. Der ilex-Mittelwert liegt 2015 bei 60,2 – gegenüber dem bisherigen Minimum von 2008, das 55,8 ilex-Punkte betrug.
Was steckt dahinter? Und wie sind diese Ergebnisse zu interpretieren? Als empirisch orientierte Sozialforscher, die um die Stärken, Schwächen und Qualitätsaspekte von Befragungen wissen, haben wir natürlich zunächst methodisch genau nachgesehen. Die Ergebnisse sind nach verschiedenen Kriterien gewichtet. Mögliche Verzerrungen nach oben oder unten, die durch eine selektive Teilnahme verursacht sind, werden also soweit wie möglich kontrolliert und ausgeglichen. Damit richtet sich das Augenmerk auf die inhaltlichen Aussagen der aktuellen Ergebnisse. Diese legen nahe, dass etwa aktuell gute konjunkturelle Aussichten – oder zumindest die Kommunikation darüber – mit zu einem besseren subjektiven Befinden führen. Die Perspektive auf den Mindestlohn oder Entlastungen des Portemonnaies beispielsweise durch sinkende Kraftstoffpreise und weniger schmerzhafte Besuche an der Tankstelle tragen möglicherweise ebenso dazu bei. Dies waren Einschränkungen, die in der Vergangenheit insbesondere Geringverdiener stark beeinträchtigt haben. Und diese Gruppe ist es, die im aktuellen ilex eine bemerkenswerte Aufwärtsentwicklung verzeichnet. Hinzu kommt dabei aber eine wichtige Voraussetzung: Das Plus in der Empfindung der eigenen Lebenslage fällt insbesondere bei den Befragten in der Gruppe der „Unterschicht“ deutlich aus, die über ein – wenn auch in der Regel sehr geringes – eigenes Erwerbseinkommen verfügen. Auch wenn damit nicht die Unabhängigkeit von staatlichen Zuwendungen garantiert ist, trägt dieser Faktor offenbar wesentlich zu der besseren individuellen Bewertung bei. Teilhabe – in diesem Fall am Arbeitsleben – wirkt also entscheidend.

subjektive Einschätzungen im Zeitverlauf

Geselligkeit und soziale Kontakte haben einen besonderen Stellenwert in der subjektiven Lebensbefindlichkeit.

Ein tieferer Blick in ergänzende Ergebnisse unterstreicht diese Interpretation. Bestandteil der Befragung ist Jahr für Jahr auch die Frage danach, in welchem Umfang man sich verschiedene Dinge im Vergleich zum eigenen Freundes- und Bekanntenkreis leisten kann. Diese erprobte Operationalisierung misst ebenfalls eher subjektive Werte als objektive Gegebenheiten. Sie ist also zur Aufklärung geeignet. Und sie zeigt aufschlussreiche Ergebnisse. Wenn der Klarheit halber nur der Anteil derjenigen herausgegriffen wird, die sich nach eigener Angabe mehr leisten können, und hierzu die Ergebnisse aus dem Jahr 2013 mit den aktuellen Werten verglichen werden, ergibt sich ein deutliches Muster. Zwar nimmt dieser Anteil für alle einbezogenen Lebensbereiche zu. Besonders deutlich fallen diese Zuwächse jedoch für Aspekte aus, die mit sozialen Anlässen verbunden sind. Am höchsten ist das Plus für Kneipen- und Restaurantbesuche. Gaben 2013 nur 11 Prozent an, sich hier mehr leisten zu können, sind es zwei Jahre später 19 Prozent. Ein Plus von immerhin 5 Prozentpunkten ergibt sich bei Vereinsmitgliedschaften. Auch kleine Alltagsfreuden wie etwa der Kauf von Büchern oder DVDs fallen 2015 offenbar leichter als 2013. Hier wächst der ausgewählte Anteil von 18 auf 24 Prozent. Mit 4 Punkten im Aufwind sind weitere eher sozial ausgerichtete Ereignisse wie die Bewirtung und das Feiern mit Freunden sowie Hobbys und Freizeitaktivitäten. Immer noch positiv, aber mit geringerem Zuwachs, rangieren größere Anschaffungen und Urlaubsreisen.

Fortsetzung der ilex-Zeitreihe im Jahr 2016

Diese Beobachtungen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Bundesrepublik Menschen gibt, die auch subjektiv nicht so positiv berichten können.

Was können sich die Deutschen leisten?
Doch sie zeigen, dass subjektive Befindlichkeiten nicht unbedingt Hand in Hand mit objektiven Wohlstandsindikatoren gehen müssen – sowohl in positiver als auch in negativer Richtung. Wir werden den ilex fortführen und weiter berichten. Denn nach der geschilderten Entwicklung 2015 stellt sich im nächsten Jahr die Frage, ob sich der Trend stabilisiert oder sogar fortsetzen wird. Sollte dies der Fall sein, wäre die Gelegenheit gekommen, dieser Beobachtung noch genauer nachzugehen. Bleiben Sie also gespannt.

Zum Weiterlesen – ganz objektiv:
www.der-paritaetische.de/armutsbericht/ die-zerklueftete-republik/