Wer macht mit? Bei Umfrageteilnehmern nachgefragt

Für manche ist es lästig. Für andere spannend. Für weitere eine Bitte, der man nachkommt, wenn es sich gerade einrichten lässt. Und für immer mehr ein Grund, dieser Bitte nicht nachzukommen: der Aufforderung, an einem Interview teilzunehmen. Insbesondere das klingelnde Telefon kann zu einer Verweigerungsreaktion führen. Zugegebenermaßen ist das oft verständlich, handelt es sich doch in vielen Fällen nicht um Befragungen aus Wissenschaft und Forschung, sondern um auf diesem Weg angebahnte Verkaufskontakte. Da ist es oft einfacher, sich grundsätzlich zu entziehen und auch seriöse Anfragen abschlägig zu behandeln.

Doch dafür gibt es keine einfachen Regeln. Die Spannweite der Ablehnungen – und natürlich auch die der Teilnahmen – reicht nahezu von 0 bis 100. infas führt sowohl Befragungen durch, bei denen fast alle kontaktierten Personen zur Auskunft bereit sind, als auch Projekte, an denen sich weniger als jede zehnte Person beteiligt, die um das Mitmachen gebeten wird. Wovon hängt dies ab? Die Motive sind vielfältig und oft sehr studienspezifisch. Die meisten Gründe deuten aber eher auf ein situatives Verhalten hin.

Eine hohe persönliche Betroffenheit und der Bezug zum Alltag der Befragten, der richtige Zeitpunkt sowie die Klarheit über die Verwendung der erhobenen Daten führen in der Regel zu höheren Teilnahmequoten. Dies können beispielsweise Kundenbefragungen im Unternehmensbereich oder auch regional begrenzte Befragungen mit einem lokalen Fokus sein. Themenfelder, die weit entfernt von den persönlichen Prioritäten der Befragten liegen und die ohne Vorankündigung oder Terminflexibilität daherkommen, bilden das andere Ende der Teilnahmeskala. Doch auch dies ist nur eine Annäherung. Gutes oder schlechtes Nachfassen und Erläutern durch die Interviewerinnen und Interviewer im Kontaktgespräch kann sowohl einfache wie schwierige Rahmenbedingungen mit beeinflussen. Schon minimale Veränderungen im Design und in der Anlage einer Studie können zu Veränderungen der Teilnahmequoten führen. Über diese eher inhaltlichen Gründe hinaus lassen sich grundsätzliche methodische Aspekte festhalten:

  • Die vorherige Ankündigung einer Studie über einen anderen Weg als den für die Befragung gewählten hilft – etwa über einen per Post verschickten Brief, der zentrale Informationen über das Wie, Weshalb und Warum einer Studie enthält und über eine kurze Zeit darauf erfolgende telefonische Kontaktaufnahme informiert.
  • Transparenz ist entscheidend, etwa durch eine online abrufbare Studieninformation, die nach einer ersten telefonischen oder schriftlichen Kontaktaufnahme vor dem eigentlichen Interview zur Rückversicherung genutzt werden kann.
  • Flexibilität führt oft zum Ziel, beispielsweise durch alternative Angebote, sich an einer Befragung zu beteiligen – wie etwa schriftlich, online, telefonisch oder sogar persönlich durch einen Interviewerbesuch. Studien im Methodenmix werden daher immer bedeutsamer. Schon immer unverzichtbar ist eine hohe Terminflexibilität bei allen Formen von mündlichen Interviews.
  • Professionalität ist unverzichtbar. Dazu gehören zum Beispiel verständlich verfasste Studieninformationen, ein ansprechendes Layout in gedruckter oder virtueller Form. Aber auch gut strukturierte Fragebögen, die nicht nur die üblichen 95 Prozent der „normalen“ Interviewverläufe abdecken, sondern auch auf Besonderheiten vorbereitet sind, tragen wesentlich zum Studienerfolg bei.
  • Der Kontakt zählt. Bei Interviews am Telefon oder auch persönlich Face-to-Face übt die Interviewerin oder der Interviewer eine zentrale Funktion aus. Oft geht es um ein standardisiertes Interview, aber auch dies ist ohne ein professionelles, sicheres und verbindliches Auftreten kaum oder nur mit Qualitätseinbußen denkbar. Jedes Interview ist eine soziale Beziehung im Kleinformat. Sie gelingt nur durch intensive Interviewerschulungen.
  • Beharrlichkeit zahlt sich aus. Oft sind zahlreiche Kontaktversuche und Erläuterungen über unterschiedliche Kanäle erforderlich, um eine Studie zu erklären, sich von vielfältigen anderen Kontakten gewerblicher Art abzuheben oder zu verdeutlichen, wie wichtig eine individuelle Teilnahme für das Gesamtergebnis ist.

Dies sind die wichtigsten Grundregeln. Ihre Einhaltung ist aufwendig und teuer. Obendrein ist dies von au- ßen oft nicht einfach erkennbar. Es setzt viele einzelne Schritte, große Sorgfalt und Liebe zum Detail voraus. Dies praktiziert infas mit mehr als 300.000 Interviews jährlich – mit einem Team von über 1.000 aktiven Interviewern oder auch schriftlich postalisch beziehungsweise online. Die Einhaltung dieser Regeln sollte im Sinne von „Best Practice“ eigentlich zu den Selbstverständlichkeiten einer Branche gehören. Sie zu ignorieren würde mittelfristig die eigene Geschäftsgrundlage entziehen: die Kooperationsbereitschaft der von ihr kontaktierten potenziellen Interviewpartner in privaten Haushalten, Unternehmen oder anderen Institutionen.

Verweigerung kann methodisch unbedenklich sein – solange sie nicht systematisch erfolgt

Viele der geschilderten Maßnahmen dienen nicht nur einer möglichst hohen Beteiligungsrate, sondern auch einer selektionsfreien Beteiligung. Es sollen Verzerrungen zugunsten oder zuungunsten bestimmter Gruppen vermieden werden. Dabei geht es beispielsweise um soziodemografische oder auch inhaltliche Merkmale. So muss beispielswiese eine Studie über gesundheitliche Einschränkungen vermeiden, dass sich gesunde Menschen nicht angesprochen fühlen und sich nicht an der Befragung beteiligen.

Trotz aller Mühen und genau kontrollierter Prozesse gelingt dies nicht immer. Eine besonders anspruchsvolle Aufgabe ist es, eher bildungsferne Gruppen in gleichem Maß für eine Studienteilnahme zu gewinnen wie besser gebildete Bevölkerungssegmente. Zu hohe Komplexität, eine nicht adäquate, leicht verständliche Ansprache oder andere „Stolpersteine“ können schnell dazu führen, dass Befragungsteilnehmer sich grundsätzlich oder auch – was selten vorkommt – erst im Verlauf einer begonnenen Befragung entziehen. Um dies zu vermeiden, sind gute Vermittlungsstrategien, aber auch Ehrlichkeit gefordert. So ist es zum Beispiel nahezu immer ein Fehler, eine zu kurze Befragungsdauer anzukündigen und den ganzen Umfang einer Befragung erst nach den ersten fünf Minuten eines als „kurz“ angekündigten Interviews zu enttarnen.

Die aus diesen und anderen Effekten resultierenden Verweigerungsreaktionen sind vielfältig und unter Umständen auch studienspezifisch. Trotzdem sind Muster zu verzeichnen, die sich aus den Antworten auf regelmäßig gestellte Nachfragen für den Grund einer Verweigerung ergeben:

  • Ein kleiner Teil potenzieller Studienteilnehmer verweigert aus grundsätzlichen Erwägungen und ist auch gegenüber Argumenten für eine Teilnahme kaum aufgeschlossen.
  • Ein größerer Teil verweigert eher situativ bedingt. Der Moment passt nicht oder andere Dinge werden als wichtiger eingestuft. Einige solcher Verweigerungen lö- sen sich bei einem erneuten Kontaktversuch auf und das Eis bricht, andere bleiben auch dann bestehen und entpuppen sich ebenfalls als eher grundsätzlich.
  • Eher die Ausnahme ist ein Abbruch während eines Interviews. Dies kommt selten vor und kann durch professionell konzipierte Fragebögen weitgehend verhindert werden.

Die Umkehrung: Gründe für das Mitmachen

Aufschlussreiche Ergebnisse erbringt auch die Umkehrung dieser Perspektive. In einer aktuellen telefonischen Befragung zu Lebenssituationen und politischen Themen haben wir am Ende eines über 30-minütigen Interviews nachgefragt, welche Motive für die Teilnahmeentscheidung ausschlaggebend waren. Hier sind fünf verschiedene Schwerpunkte zu erkennen. Sie können beschrieben werden als Freundlichkeit und Erfahrung, Interesse am Thema, zufällig günstige Kontaktsituationen, die Hoffnung, über eine Teilnahme etwas bewirken zu können, und schließlich das Vertrauen in das durchführende Institut, in diesem Fall infas.

Wie häufig die hinter diesen Clustern liegenden einzelnen Gründe genannt wurden, zeigt die Grafik. Dabei ergeben sich interessante Unterschiede abhängig vom Bildungsniveau der Befragten:

  • Mit unterschiedlichem Niveau, aber insgesamt in allen Gruppen am häufigsten, fallen Argumente bezogen auf das Thema der Befragung – insbesondere unter denjenigen mit einer formal höheren Bildung.
  • Relativ gleich über die Bildungsgruppen verteilt sind situative Aspekte. Der Augenblick passte gut oder es entstand ein nettes und verbindliches Kontaktgespräch bei der Nachfrage zu einer möglichen Teilnahme.
  • Damit verbunden ist oft eine Unterstützungsbereitschaft, weil man generell gerne bereit ist, solchen und anderen Bitten nachzukommen. Daraus ergeben sich auch Erfahrungen mit dieser Situation.
  • Ein weiterer Grund ist die Möglichkeit, sich über eine Befragung zu artikulieren und damit zum Ergebnis und der Diskussion über die abgefragten Themenbereiche beizutragen.
  • Und last not least zählen wiederum Hartnäckigkeit, Beharrlichkeit, doch noch jemanden im Haushalt zu erreichen, und das Vertrauen in denjenigen, der fragt. Ein bekannter Name verknüpft mit Seriösität unterstützt ebenfalls die Bereitschaft zur Teilnahme.

Diese Resultate zeigen, dass nicht nur die Verweigerung, sondern auch das Mitmachen vielfach und unterschiedlich begründet sein können. Für die Durchführung von Befragungen, die Gestaltung der Kontaktphase und das Training der Interviewerinnen und Interviewer die auf diese Fülle von Motivlagen jedes Mal angemessen reagieren müssen, liefern sie wichtige Grundlagen. Der damit verbundene Aufwand wächst stetig.

Für eine anspruchsvolle sozialwissenschaftliche Studie, in der 12.000 Personen entweder schriftlich, online oder telefonisch befragt wurden, waren zum Beispiel weit über 100.000 Kontakte erforderlich, viele davon mehrfach mit denselben Personen. Dieser Aufwand prägt das Geschäft von infas seit dem Start des Instituts – und wird angesichts zurückgehender Partizipationsbereitschaft immer wichtiger, denn er bestimmt die Ergebnisqualität ganz entscheidend.