Das infas-Institut trägt in vielfältiger Weise zur Weiterentwicklung methodischer Standards in der empirischen Sozialforschung bei. Im aktuellen Beispiel mit einer Methodenstudie zum Conversational Interviewing, gemeinsam mit Forschern am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), der University of Michigan und der University of Maryland.
In Interviews, die von Personen geführt werden (also telefonisch oder face-to-face) soll deren Verhalten soweit standardisiert werden, dass unterschiedliche Antworten von Befragten nicht auf unterschiedliche Interviewer zurückzuführen sind (Vermeidung von Interviewereffekten). Mit einer Standardisierung soll zudem eine exakte Messung der relevanten Merkmale sichergestellt werden (Reduzierung des Response Bias). Standardisiertes Interviewen (SI) bedeutet dabei, dass Interviewern keine Abweichungen von den vorgegebenen Fragetexten erlaubt sind und keine eigenen Erläuterungen gegeben werden dürfen. Auf Nachfragen können Interviewer mit neutralen Antworten reagieren (neutral probes). Demgegenüber steht die Befragungstechnik des Conversational Interviewing (CI). Diese Technik lässt flexiblere Reaktionen der Interviewer auf Nachfragen und bei Klärungsbedarf zu. Das Conversational Interviewing kommt damit eher einer natürlichen Gesprächssituation nahe und erlaubt eine personenspezifische, individuellere Reaktion der Interviewer. Es stellt allerdings höhere Anforderungen an den Interviewer in der Gesprächssituation und bedingt größeren Schulungsaufwand.
Während Verfechter der standardisierten Interviewtechnik (u.a. Fowler und Mangione) konstatieren, dass nur durch standardisierte Interviewtechniken Interviewereffekte und Response Bias vermieden werden können, zeigen Studien zum Conversational Interviewing, dass damit durchaus eine bessere Antwortqualität gegenüber der standardisierten Technik möglich ist. Ungeklärt ist jedoch, ob durch das Conversational Interviewing nicht doch der Interviewereffekt erhöht wird, was Einfluss auf die Messqualität insgesamt hätte.
Wissenschaftler der University of Michigan, der University of Maryland und des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung haben ein Forschungsprojekt initiiert, bei dem sie durch infas unterstützt und gesponsert wurden. In dem Methodentest wurde von infas gemeinsam mit den Forschern ein experimentelles Erhebungsdesign konzipiert, die notwendigen technischen und personellen Ressourcen bereitgestellt und die Interviews durchgeführt. Die infas-Interviewer wurden in einem umfangreichen Traningsprogramm auf die Durchführung der Interviews vorbereitet und besonders in die Technik des Conversational Interviewing eingewiesen.
Zusammengefasst bestätigt sich auch mit diesem Methodentest, dass die Antwortqualität durch Conversational Interviewing erhöht werden kann, ohne Effekte durch Interviewer zu erhöhen. Dabei sind es insbesondere komplexere Fragestellungen, bei denen sich durch die conversational Technik die Antwortqualität verbessern lässt.
Eine ausführliche Darstellung des Methodentests ist jetzt in der Fachzeitschrift Royal Statistical Society erschienen:
West, Brady T.; Conrad, Frederick G.; Kreuter, Frauke; Mittereder, Felicitas; (2016): Can conversational interviewing improve survey response quality without increasing interviewer effects? In: Journal of the Royal Statistical Society. Series A, Statistics in Society, Online first, 23 p.