Mit dem Ausrufen der Pandemie durch die WHO und den damit verbundenen Restriktionen hat das Coronavirus im März 2020 das öffentliche und wirtschaftliche Leben in weiten Teilen zum Erliegen gebracht. Während manche Branchen als systemrelevant eingestuft und die Arbeitskräfte dringend gebraucht wurden, mussten andere auf Distanz gehen und von heute auf morgen ihre Tätigkeiten einstellen. Genauso erging es den Face-to-Face-Interviewern, da Besuche vor Ort mit dem Lockdown ab Mitte März in Deutschland ausgeschlossen waren und keine persönlichen Befragungen mehr durchgeführt werden konnten. Anders im Telefonstudio: Hier konnten Interviewer ihre Tätigkeit ins Homeoffice verlagern. An dieser Situation hat sich auch ein halbes Jahr später nur wenig geändert. In vielen Projekten wurden die Einsätze der Face-to-Face-Interviewer auf das nächste Jahr verschoben. Manche Fälle aus dem Face-to-Face-Feld wurden auf andere Modes verteilt und dort realisiert. Alles in allem eine schwierige Situation für ein Face-to-Face-Interviewerfeld, das sicherlich 2021 mit großer Flexibilität und neuen Vorgehensweisen agieren muss.
Wir haben unsere Face-to-Face-Interviewer zu ihrer persönlichen Situation und ihrem Umgang mit der Corona-Krise befragt. Das waren Fragen, wie wir sie auch in der infas-Mehrthemenbefragung an Personen ab 16 Jahren in Privathaushalten in Deutschland gerichtet haben. Darüber hinaus haben wir nach den Perspektiven und der Bereitschaft für eine Weiterführung der Interviewtätigkeit im nächsten Jahr gefragt. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv und lassen hoffen, dass die infas-Interviewer zu ihrer Tätigkeit vor Ort und dem persönlichen Kontakt zu Befragungspersonen zurückkehren werden – auch unter schwierigeren Bedingungen und unter Einhaltung der notwendigen Schutzmaßnahmen.
Persönliche Situation der Face-to-Face-Interviewenden
Face-to-Face-Interviewer sind aufgrund ihrer Tätigkeit, die auf persönlichem Kontakt basiert, in besonderer Weise von der Corona-Situation betroffen. Bei ihnen wiegt der abrupte Verlust von Arbeitsmöglichkeiten und damit verbunden fehlenden regelmäßigen Einkünften deutlich schwerer als bei vergleichbaren Gruppen der bundesweiten infas-Mehrthemenbefragung. Im Umgang mit der Corona-Situation ähneln sich die Teilnehmer bei der Befragungen jedoch sehr. Mit Blick auf Schutzmaßnahmen berichten über 80 Prozent der Interviewer, dass sie persönliche Einschränkungen in Kauf nehmen, um Mitmenschen zu schützen, sowie immer den Sicherheitsabstand einhalten. Über 40 Prozent von ihnen tragen darüber hinaus auch dann einen Mund- und Nasenschutz, wenn es die Vorschriften nicht ausdrücklich von ihnen verlangen. Die Corona-Situation bzw. die damit verbundenen Einschränkungen im alltäglichen Leben empfindet etwa ein Fünftel als Belastung; wohingegen nahezu die Hälfte dies nicht so wahrnimmt. Auch die Frage nach der Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus wird von der Hälfte der Face-to-Face-Interviewerinnen und -Interviewer verneint. In Bezug auf den Zeitpunkt der Lockerungen von Corona-Maßnahmen teilen sich die Meinungen: Etwa ein Drittel ist der Meinung, dass die Lockerungen zu früh stattgefunden haben, währenddessen 43 Prozent die Entscheidung als nicht zu früh getroffen einstufen.
Weiterführung der Interviewtätigkeit
Der Verlust von Arbeitsmöglichkeiten wurde von den Face-to-Face-Interviewenden doppelt schwer empfunden, weil es auf der einen Seite gerade bei den Panelstudien eine Unterbrechung ihrer Kontakte zu bekannten Befragungspersonen bedeutete. Auf der anderen Seite mussten sie hinnehmen, dass ein Wechsel in die telefonische Weiterbearbeitung und die Übernahme der Adressen durch einen Interviewenden aus dem Telefonstudio stattfand. Dieser Mode- und Interviewerwechsel hatte zumindest in einem Projekt nicht erwünschte Effekte auf die Response-Rate. Das hat dazu geführt, dass ab Mitte Mai in diesem Projekt eine Rückkehr zum Einsatz von Face-to-Face-Interviewenden stattfand, und zwar in der Weise, dass diese Interviewer mit „ihren Befragten“ das Interview telefonisch durchführten. Dieser alternative Mode hatte den Vorteil, dass die Kontaktaufnahme durch die bekannte Interviewerin bzw. den bekannten Interviewer gewährleistet werden konnte, auch wenn das anschließende Interviewgespräch telefonisch vom eigenen Telefonanschluss geführt wurde.
„Ich bin der Meinung, dass grundsätzlich im Leben nichts ohne Risiko ist. Jedoch denke ich, dass unter Nutzung des Mund-NaseSchutzes und der Einhaltung des notwendigen Abstands Face-to-Face-Befragungen nichts im Wege stehen sollte.“
infas-Interviewer, 60 Jahre
Die Befragung der Face-to-Face-Interviewer zeigt, dass eine Rückkehr zu einer Interviewtätigkeit vor Ort gewünscht wird. 68 Prozent der befragten Interviewer haben keine Bedenken, persönlich-mündliche Befragungen im nächsten Jahr durchzuführen. 76 Prozent würden bereits jetzt ihre Panelteilnehmer wieder vor Ort aufsuchen. Für viele steht der persönliche Kontakt bei ihrer Arbeit im Vordergrund. Dabei ist ihnen durchaus bewusst, dass eine Interviewtätigkeit in Zukunft etwas anders aussehen wird als bisher. Fast die Hälfte der Mitarbeiter aus dem infas-Interviewerstab hat
bereits Erfahrungen mit dem Mode „CAPI per Phone“ gesammelt. Der alleinige Rückgriff auf telefonische Interviews wird aber nicht ausreichen. Das haben die Erfahrungen der letzten Jahre in den Telefonstudios gezeigt. Damit Interviewer wieder vor Ort arbeiten können, sind aus ihrer Sicht die besonderen Hygieneregeln und -materialien, aber auch die Aufklärung der Befragungspersonen besonders wichtig. Für das Tragen eines Mundschutzes während des Interviews plädieren zwei Drittel der Interviewer. Ein ähnlich hoher Anteil setzt für die Tätigkeit vor Ort behördliche Freigaben wie die Kontaktbeschränkungen voraus. Dagegen ist die Verfügbarkeit eines Impfstoffs für weniger als die Hälfte relevant.
„Mit einem ausgewogenen Hygienekonzept, wie etwa Mundschutz, Abstandsregelung und Desinfektion der vorhandenen Materialien, müsste sich jeder „sicher“ fühlen!“
infas-Interviewer, 61 Jahre
Die Fortführung eines Face-to-Face-Feldes in Zukunft ist nicht nur aus Sicht der Inter view er wünschenswert. Bei Registerstichproben und mit Blick auf die Vermeidung von Selektivitäten wird man in sozialwissenschaftlichen Erhebungen nicht ohne Interviewer vor Ort auskommen. Eine größere Vielfalt der Modes wird in den Studiendesigns notwendig sein, um verschiedensten Zielgruppen und den Situationen vor Ort gerecht werden zu können. Neue Verhaltensweisen beim persönlichen Kontakt zu Befragungspersonen, aber auch Vorgehensweisen wie „CAPI per Phone“ wird man zulassen müssen. Sie sind bei infas in den Planungen für einige an stehende Projekte bis ins nächste Jahr bereits enthalten.
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