Generationensolidarität – vom Verhältnis zwischen Jung und Alt

Etwas verkürzt formuliert, hängt der Zusammenhalt in einer Gesellschaft stark von der Solidarität zwischen den Generationen ab. Doch wie ist es darum bestellt, insbesondere im Vergleich zu früheren Zeiten? Studienergebnisse geben darüber Aufkunft.

Leben die verschiedenen Altersgruppen bindungslos nebeneinander her, ist übergreifende Verbundenheit schwer vorstellbar. Schließlich bestehen Abhängigkeiten, die teils wesentliche Eckpfeiler unserer Gesellschaft sind. Etwa das Solidarprinzip bei der Rente, wonach die Jungen die Renten der Älteren finanzieren. Aber auch der ganz profane Alltag würde ohne gegenseitige Unterstützung leiden. So haben die verschiedenen Alterskohorten unterschiedliche Anforderungen an ihre Infrastruktur, an ihr Berufsleben, an Mobilitäts- oder Freizeitangebote, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen.
Torpediert wird die Generationensolidarität durch die mediale Darstellung eines gegenseitigen Unverständnisses, durch Wahlgeschenke an die große Gruppe der Rentner seitens der Politik und durch Barrieren im Alltag. Einige harte Fakten legen tatsächlich den Schluss nahe, dass die Generationensolidarität sinkt. So ist die Zahl der Ein-Personen-Haushalte in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Inzwischen lebt jeder Zweite alleine. Gleichzeitig ist die Zahl der Mehrgenerationen-Haushalte auf niedrigem Niveau weiter gesunken. Haben sich die Generationen also auseinandergelebt?
infas hat bereits 1996 die Solidarität zwischen den Generationen empirisch gemessen. In der damaligen Studie „Das gegenseitige Bild der Generationen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wurden 3.000 persönlich-mündliche Interviews mit Personen ab 14 Jahren durchgeführt. Diese Messung haben wir im zweiten Quartal 2018 wiederholt. Für die Wiederholungsmessung wurden 1.500 Bundesbürger ab 18 Jahren telefonisch befragt. Trotz der Unterschiede in der Methode und Grundgesamtheit dürften die Ergebnisse weitgehend vergleichbar und für eine Trendeinschätzung geeignet sein. Der Vergleich der beiden Erhebungen zeigt deutlich: Der Zusammenhalt zwischen den Generationen, aber auch der gegenseitige Respekt hat seit der ersten Messung nicht abgenommen. Die moralischen Erwartungen über den Umgang mit der anderen Generation sind im Zeitvergleich stabil geblieben oder sogar gestiegen.

Wünschenswertes Verhalten von Kinder, Eltern und Großeltern

Dass man für seine Kinder oder Enkelkinder oder für seine Eltern oder Großeltern da ist, halten praktisch alle Befragten heute für wünschenswert. 1996 waren es minimal weniger. Unverändert herrscht Einigkeit darüber, dass man sich gegenseitig hilft und unterstützt. Im Zeitvergleich unverändert halten es etwas über 80 Prozent für wünschenswert, dass man für Jüngere bzw. Ältere auch mal verzichtet. So sind 95 Prozent der Befragten der Überzeugung, dass die Jüngeren von den Älteren lernen können. Umgekehrt sind 88 Prozent der Meinung, dass Ältere von Jüngeren lernen können. 1996 waren das deutlich weniger, nämlich nur 75 Prozent. Eine knappe Mehrheit von 52 Prozent war 1996 der Meinung, die Kontakte zwischen Jung und Alt seien eher konfliktgeladen. Dieser Wert ist im Zeitverlauf deutlich auf nur noch 36 Prozent gesunken. Nur leicht hat sich das gegenseitige Verständnis der Generationen verbessert. Nur knapp die Hälfte der Befragten denkt, dass sich jüngere Menschen von den Älteren verstanden fühlen. Dass sich die älteren Menschen gut von den Jüngeren verstanden fühlen, meint nur knapp jeder dritte Befragte. Diese Werte haben sich im Vergleich zur Messung von 1996 nur wenig verändert. Hier ist also durchaus Luft nach oben.

Einstellungen zum Verhältnis zwischen den Generationen: Respekt und gegenseitige Anerkennung

Respekt vor der älteren Generation zeigt sich in zwei Ergebnissen: Zum einen sind 82 Prozent der Bevölkerung der Ansicht, dass die Älteren so viel für das Land getan haben, dass sie die beste Absicherung bekommen sollten. Zum anderen sind lediglich 19 Prozent überzeugt, dass es den Älteren zu gut ginge (1996: 27 Prozent). Dass es den Jüngeren zu gut gehe, meinen hingegen 35 Prozent (1996: 40 Prozent).
Die Generationensolidarität hat sich seit 1996 in vielen Bereichen eher verbessert. Es gibt ein Verständnis und Respekt gegenüber anderen Generationen. Der Anteil derer, die bestätigen, dass Jung und Alt häufig Kontakt miteinander haben, ist von 51 Prozent (1996) auf 56 Prozent ebenso leicht gestiegen, wie der jener, die überzeugt sind, dass sich die Generationen gut verstehen und sich immer näher kommen (1996: 52 Prozent, 2018: 58 Prozent).
Der Vergleich der beiden Erhebungen lässt nur einen Schluss zu: Der Zusammenhalt zwischen den Generationen ist in den vergangenen Jahren wenigstens gleich geblieben. In einigen Details hat er sich sogar verbessert. Keineswegs aber hat er sich verschlechtert.

Matthew T Rader