Eine erste Erhebung von infas und TomTom zum Start des Deutschlandtickets Anfang Mai zeigt: Fast zwei Drittel der Befragten kennen das neue Angebot und 16 % haben es sich bereits gekauft. Weitere 24 % planen, es sich künftig anzuschaffen. Auf den Individualverkehr in 27 untersuchten Städten hat das neue Tarifangebot zu diesem frühen Zeitpunkt nach TomTom-Daten noch keinen messbaren Einfluss. Der Anteil derer, die ihr Mobilitätsverhalten aufgrund des neuen Tarifs deutlich verändern wollen, ist eher gering. Doch die Entwicklung benötigt Zeit.
Die mediale Aufmerksamkeit hat dazu geführt, dass das Deutschlandticket weiten Teilen der Bevölkerung ein Begriff ist. Annähernd zwei Drittel (62 %) kennen es, bei den unter 30-Jährigen sogar 73 %. Zum Zeitpunkt der Messung Anfang Mai hatten es 16 % bereits gekauft. Weitere 24 % haben dies nach eigener Angabe noch vor. 58 % werden dagegen bis auf Weiteres kein Deutschlandticket erwerben. Diesen ersten Trend zeigt eine Erhebung von infas mit 1.115 Befragten, die in einem Online-Access-Panel Anfang Mai durchgeführt wurde. Parallel zu dieser Befragung hat TomTom seine Mobilitätsdaten für 27 Städte auf Veränderungen im motorisierten Individualverkehr hin untersucht. Die Messungen zeigen, dass anhand dieser Daten bisher keine signifikanten Einflüsse des Deutschlandtickets auf den motorisierten Individualverkehr zu verzeichnen sind – weder in den für den Berufsverkehr typischen Zeiten, noch am Wochenende oder tagsüber.
Wie bereits beim 9-Euro-Ticket nutzen die Early Birds des Deutschlandtickets das Angebot am häufigsten für den Freizeitverkehr (76 %). Zum einen, um mehr Ausflüge zu unternehmen und zum anderen, um dabei weitere Strecken zurückzulegen. Auch die wesentlichen Kaufgründe unterscheiden sich nicht von denen des 9-Euro-Tickets. Nummer 1 ist der Preis (70 %). Dabei war das 9-Euro-Ticket oft ohne ein Nachrechnen attraktiv, wohingegen beim Deutschlandticket im Vergleich zu anderen Tarifen abgewogen wird. An zweiter Stelle steht bereits die Einfachheit (50 %): Tarifzonen, Verbundgrenzen und andere Besonderheiten sind mit dem Deutschlandticket weitgehend nicht mehr relevant.
Annähernd 40 % der Befragten, die schon ein Deutschlandticket in der Tasche haben oder den Kauf in nächster Zeit planen, erwarten, dass sie ihr Auto häufiger stehen lassen. Ein Viertel wird seine Autonutzung nicht ändern, jedoch häufiger mit dem ÖPNV unterwegs sein. Weitere 29 % sehen zunächst keine Veränderung in ihrem persönlichen Mobilitätsverhalten. Dafür werden neben dem Preis am ehesten deutliche Angebotsverbesserungen im öffentlichen Verkehr erforderlich sein.
Fast zwei Drittel (62 %) derer, die nicht planen, das Deutschlandticket zu kaufen, gaben als Hauptgrund an, den ÖPNV generell nicht zu nutzen. Darauf scheint das neue Ticket bisher keinen entscheidenden Einfluss zu haben. In dünn besiedelten Gebieten, wie Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern, hat das Deutschlandticket dementsprechend die geringsten Bekanntheitswerte. Über die Hälfte der Bevölkerung kennt es dort nicht – drei Viertel planen keine Anschaffung. Dies war mit dem 9-Euro-Ticket noch anders, vor allem aufgrund des erheblich geringeren Preises, bei dem sich die Anschaffung oft schon mit einer Fahrt gerechnet hatte.
Umgekehrt ist in den Metropolen das Deutschlandticket eine finanzielle Frage: Es wird dann gekauft, wenn es sich im Vergleich zum bisherigen Angebot lohnt. Insbesondere bei Jugendlichen in der Ausbildung ist das oft nicht der Fall, sie bleiben bei ihrem alten Tarif.
Als Zwischenfazit vor weiteren Erhebungen und der ausstehenden kommenden Nachfrageentwicklung kann festgehalten werden, dass das Deutschlandticket in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt ist und positiv bewertet wird. Die zusammen 40 Prozent, die bereits ein Deutschlandticket haben oder den Kauf planen, zählen fast durchweg zu der Gruppe der bisher zumindest gelegentlichen ÖPNV-Nutzer. Sie freuen sich über Einfachheit, den Preisnachlass und weitere Aktivitätsmöglichkeiten. Gleichzeitig entsprechen die Größe der bisherigen Käufergruppe in etwa dem von infas in einer zurückliegenden Studie zum 9-Euro-Ticket errechneten Anteil derer, für die der Betrag von 50 Euro die Preisobergrenze darstellt. Bereits vor der Festlegung des Preises auf 49 Euro hatte infas diesen Wert nach der Van-Westendorp-Methode ermittelt. Ein niedriger Preis, beispielsweise von rund 30 Euro, hätte hingegen etwa 60 Prozent der Bevölkerung als Obergrenze akzeptiert. Dies schließt auch viele Interessenten ein, die im Alltag genau rechnen müssen und für die ein 50-Euro-Schein im Monat für den ÖPNV oft zu viel ist. Eine verbesserte Teilhabe durch günstige Fahrmöglichkeiten, wie sie das 9-Euro-Ticket zeitweilig sicherte, bietet die 50-Euro-Lösung nicht.
Unabhängig davon wird das neue Deutschlandticket derzeit vor allem im Freizeitverkehr genutzt. Dort gesammelte positive Erfahrungen können auch zu einem Umdenken pro ÖPNV bei anderen Mobilitätszwecken führen. Vor allem der weitgehende Wegfall von komplizierten Tarifstrukturen wird von den Deutschland-Ticket-Nutzern neben dem Preis als wichtiger Vorteil wahrgenommen. Mit entscheidend für den Ticketerfolg wird, neben einem möglichst stabilen Preis, eine Beibehaltung der charmanten Einfachheit sein. Dies war einer der Erfolgsfaktoren des 9-Euro-Vorläufers. Daher muss beobachtet werden, ob die sich bereits abzeichnenden vielfältigen Regionalisierungen des Deutschlandtickets dieses Plus unterlaufen – und am Ende der oft beklagte Tarifdschungel doch wieder zu wuchern beginnt. Doch noch bleibt zu hoffen, dass mit dem neuen Ticket ein Einstieg in bessere ÖPNV-Welten gefunden wurde.
Zur Pressemitteilung „Zuversichtlicher Start des Deutschlandtickets“