Wege, dem Smartphone entlockt

Das Smartphone ist für viele ein Begleiter auf allen Wegen im Alltag. Da liegt die Idee nahe, diesen kleinen, schlauen Alltagsbegleiter mit einer App auszustatten, die das Mobilitätsverhalten seines Besitzers mittels GPS-Tracking erfasst.


Mithilfe eines lernenden Algorithmus können aus den übermittelten Daten einzelne Etappen und Wege abgeleitet und die jeweiligen Verkehrsmittel zugeordnet werden. Start- und Ankunftszeit sowie der Start- und Zielpunkt des Wegs ergeben sich aus den übermittelten Informationen selbst. Mobilitätsforscher gelangen so an Daten, die sie sonst aufwendig erfragen müssten. Da der Aufwand bei der Messung via App für die Teilnehmer gering ist, werden auch deutlich längere Beobachtungszeiträume denkbar. Aber wie zuverlässig ist eine solche Messung?
Dieser Frage sind wir im multimo-Projekt in einem Feldversuch mit einem Beobachtungszeitraum von 14 Tagen nachgegangen. Als Vergleichsmethode wurde ein Onlinetagebuch eingesetzt, in das die Teilnehmer ihre täglichen Wege eintrugen. Dabei wurden auch Informationen zum Entscheidungshintergrund abgefragt, die bei der späteren Analyse einen vertieften Einblick in die Verkehrsmittelwahl erlauben. Die Tagebuchgruppe und die App-Gruppe bestanden jeweils aus rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Wie unterscheiden sich die erhobenen Mobilitätsdaten?

Der Vergleich der beiden Messinstrumente für verschiedene Mobilitätsindikatoren zeigt: Während sich die Verkehrsmittelnutzung (Modal Split) in beiden Gruppen nur geringfügig unterscheidet, wird der Vorteil des passiven Trackings bei den Indikatoren „Entfernung“ und „Unterwegszeit“ deutlich. Die Tagebuchnutzer neigen dazu, beide Werte gerundet zu berichten. In der Summe ergeben sich jedoch ähnliche Ergebnisse.
Deutlichere Unterschiede zeigen sich bei den berichteten Ergebnissen eines Tages: Die App-Nutzer legen pro Tag durchschnittlich einen halben Weg und sechs Kilometer weniger zurück und sind 14 Minuten weniger unterwegs als die Tagebuchnutzer. Da die zurückgelegten Entfernungen und Dauern pro Weg in beiden Gruppen jedoch vergleichbar sind, deutet die Differenz auf eine technische Ursache beim Tracking per App hin. Vermutlich schalten manche Nutzer insbesondere älterer Smartphones das GPS und damit die Wegeaufzeichnung wegen des hohen Energieverbrauchs gelegentlich ab. Mit neuen Smartphone-Generationen wird dieses Thema an Relevanz verlieren. Darüber hinaus scheint es auch Aktivitäten zu geben, bei denen das Smartphone nicht mitgenommen wird.

Projekt Multimo

multimo ist ein Gemeinschaftsprojekt von infas, dem Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) und GESS, das von verschiedenen Unternehmen aus dem Verkehrsbereich (BVG, DVB, GVH, HVV, KVB, LVB, MVV, RMV, SSB,VBB, VBN, VRR, VRS), dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sowie der Porsche AG gefördert wurde. An dem Projekt haben sich während der Feldzeit von 2015 bis 2017 mehr als 2.000 Personen in Deutschland beteiligt. Ziel des multimo-Projektes war es, neue Methoden für die Mobilitätsforschung zu entwickeln und zu testen, um neue Mobilitätstrends besser analysieren zu können.

Im Rahmen des multimo-Projektes stellt der Wechsel von der Kommunikation via E-Mail zum Download und der Aktivierung der App eine Herausforderung dar. Lediglich zwei Drittel der Studienteilnehmer haben die App installiert und für mindestens einen Tag Wege aufgezeichnet. Etwas weniger als die Hälfte übermitteln für mindestens zehn Tage Daten. Eventuell spielen hier technische Probleme oder Vorbehalte bei der Installation eine Rolle. Beim Onlinetagebuch waren deutlich weniger Verluste zu verzeichnen: Hier berichten vier von fünf Studienteilnehmern Wege für mindestens einen Tag, etwas mehr als die Hälfte berichten mindestens zehn Tage. Das Wegetagebuch kommt aber bei längeren Beobachtungszeiträumen sicherlich an seine Grenzen und es sind höhere Abbruchquoten zu erwarten.
Das Tracking per App erfordert hingegen im Zeitverlauf keine weitere Interaktion der Teilnehmer. Mithilfe der GPS-Informationen und eines Mapping-Algorithmus können Routen zudem räumlich sehr exakt verortet werden.
Für die Zukunft ist eine Synthese der App-Messung und des Online-Tagebuchs denkbar. Die App erfasst dann die Bewegung, die durch vertiefende Fragen zu einzelnen Mobilitätsentscheidungen ergänzt wird, um Hintergründe und Motive der Verkehrsteilnehmer zu verstehen und schließlich beeinflussen zu können.

Multimo

Foto: Caterina Beleffi