Mehr als nur informieren – Kommunikation mit Studienteilnehmern

Kommunikations- und Informationsstrategien in Surveys gehören zu einer Reihe von Maßnahmen und Strategien im Studiendesign, die mit dem Ziel der Erhöhung von Teilnahmebereitschaften verfolgt werden. Sie sind nicht zuletzt initiiert durch die Total Design Method von Dillman (Dillman 1978) ein fester Bestandteil in der Umfrageforschung. Der Einsatz unterschiedlichster Strategien und Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Teilnahmebereitschaft wurden mit der Total Design Method in zahlreichen Experimenten untersucht und fortwährend weiterentwickelt: Wie müssen Anschreiben gestaltet werden?1 Mit welchen Mitteln können Kosten-Nutzen-Abwägungen der Befragten beeinflusst werden? Welche Informationen sind notwendig, um die Seriosität einer Befragung zu belegen? Der Ansatz steht inzwischen als Synonym für ausgefeilte Maßnahmen und auf viele verschiedene Situationen zugeschnittene Strategien im gesamten Survey-Prozess.2

Neue Komplexität, neue Chancen

Kommunikations- und Informationsstrategien enthalten heute, auch bedingt durch die Veränderung technischer Möglichkeiten, Verbreitung von Computernutzung und Internet, ein Set von immer ausgefeilteren Maßnahmen und Aktionen im Studiendesign. Sie werden an unterschiedlichen Stellen im Feldverlauf einer Befragung eingesetzt. Die Strategien werden immer präziser zugeschnitten, weil nicht nur mehr technische Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sondern sich zudem das Mediennutzungsverhalten der Befragungspersonen geändert hat. Strategien sind letztlich zudem komplexer gestaltet, weil es immer schwieriger wird, Befragungspersonen zur Teilnahme zu motivieren.3 Von den gut 850.000 Versendungen, die bei infas 2015 im Rahmen sozialwissenschaftlicher Studien vorgenommen wurden, entfallen inzwischen 60.000 auf den Versand per E-Mail und 23.600 auf SMS-Nachrichten. Wobei die Versandmöglichkeiten natürlich immer davon abhängig sind, ob eine Adressstichprobe im Einsatz ist und welche Adressinformationen zur Verfügung stehen.
Mit den Kommunikations- und Informationsstrategien in Surveys werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt: die Befragungspersonen einerseits zu informieren und sie andererseits zur Teilnahme zu motivieren. In Panelstudien kommen darüber hinaus das Ziel der Bindung von Befragungspersonen dazu und Strategien, mit denen der Kontakt zu Panelteilnehmern aufrechterhalten werden soll.
Fester Bestandteil der Kommunikationsstrategien mit dem Ziel der Information sind immer noch die klassischen Anschreiben, die den Befragten auf konventionellem Weg per Post zugestellt werden. Dabei nimmt das Erstanschreiben einen zentralen Stellenwert in Surveys ein. Es ist die erste Möglichkeit des Forschers, Kontakt mit den Befragungspersonen aufzunehmen. In telefonischen und persönlichen Befragungen unterstützt ein Erstanschreiben nicht zuletzt auch die Kontaktarbeit der Interviewer. In Surveys, die mit Adressstichproben arbeiten, werden mit dem Erstanschreiben zudem die datenschutzrechtlichen Auflagen erfüllt, das heißt Befragungspersonen werden darüber aufgeklärt, woher ihre Adresse stammt, worum es in der Studie geht, wer für die Durchführung der Studie verantwortlich und dass ihre Teilnahme freiwillig ist. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen wird idealerweise auf einem sogenannten Datenschutzblatt bestätigt, das bei infas-Studien jedem Erstanschreiben standardmä- ßig beigelegt wird. Die Zustellung ist inzwischen über E-Mail oder auch über SMS möglich. Letztere können jedoch nur kurze Nachrichten beinhalten und sind im Falle von Erstanschreiben weniger geeignet.

Mit guten Argumenten kontern

Bedenken der Befragungspersonen sollte im Erstanschreiben offensiv begegnet werden und die Seriosität der Studie sollte im Vordergrund stehen. Vor dem Hintergrund wird in vielen Studien auf die Gestaltung von Erstanschreiben ein besonderes Augenmerk gelegt. Besonderes Briefpapier kommt gerade in Panelstudien zum Einsatz, um die Wiedererkennung über die Erhebungswellen hinweg zu erleichtern. Dabei spielen speziell gestaltete Studienlogos eine große Rolle, die sich dann auf den gesamten Studienunterlagen wiederfinden (etwa im Nationalen Bildungspanel (NEPS) oder im Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS)). Die Verantwortlichen werden im Anschreiben namentlich genannt und treten als Unterzeichner im Anschreiben auf. Weitere Informationen für Befragungspersonen können über zusätzliche Flyer, die dem Erstanschreiben beigelegt werden, zur Verfügung gestellt werden. Vielfach wird in solchen Fällen einfach auf eine Webseite verwiesen bzw. ein Link angegeben, über den Befragungspersonen weitere Informationen nachschlagen können.

Der Hinweis auf eine sogenannte Hotline gibt Befragungspersonen zudem die Möglichkeit, mit einer individuellen Frage an die Verantwortlichen heranzutreten und eine persönliche Antwort zu erhalten.

Unter Hotline wird in erster Linie eine telefonische Rückrufmöglichkeit verstanden, die für Befragungspersonen kostenfrei ist. Anfragen der Befragungspersonen können aber genauso gut schriftlich per E-Mail geschickt werden. Dafür stehen bei infas in großen Studien studienspezifische E-Mail-Adressen zur Verfügung. Die Anfragen von Befragungspersonen werden zeitnah täglich bearbeitet. Eine Hotline ist zudem in Form von Chats denkbar, sogar in Echtzeit als Live-Chat. Die Option wird durch infas zum Beispiel während der Online-Befragung im Projekt Mobilität in Deutschland zur Verfügung gestellt.
Anschreiben zum Zwecke der Information können darüber hinaus aus dem Feld nachgefragt werden. So können Interviewer gezielt für einzelne Befragungspersonen einen Nachversand melden, etwa für den Fall, dass eine Befragungsperson das Anschreiben nicht erhalten hat oder es nicht mehr vorliegt. Der „Anschreibenversand auf Wunsch“ unterstützt den Interviewer bei seiner Kontaktarbeit und stellt für die Befragungsperson noch einmal alle Unterlagen aus dem Erstanschreiben zur Verfü- gung. Er kann den Interviewer darüber hinaus bei „Kaltanrufen“ unterstützen. Die Option wird oftmals bei Betriebsbefragungen eingesetzt, wenn es darum geht, den Anlass des Anrufs und die Seriosität der Befragung zu legitimieren. Interviewer im Telefonstudio können die Anschreiben auf Wunsch aus dem Kontaktgespräch direkt als E-Mail auslösen, sodass eine Zustellung innerhalb nur weniger Minuten möglich ist.

Sendungen von infas nach Versandarten

Werbung in eigener Sache

Letztlich haben Aspekte der Informationsstrategie immer auch einen Einfluss auf die Motivation der Befragungspersonen. Die Abgrenzung zwischen der Absicht zu informieren und zu motivieren, ist an vielen Stellen fließend, insbesondere wenn Anschreiben oder die zu übermittelnden Informationen auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten werden. Immer ausgefeiltere Variationen der Ansprachen von Befragungspersonen, der Lancierung von Informationen oder dem Setzen von Motivationsanreizen wie beispielsweise Incentives werden in den sozialwissenschaftlichen Studien eingesetzt. Nicht selten finden sich in Studien 20 verschiedene Varianten der Anschreiben, wobei die Variation einzelner Textpassagen technisch relativ einfach zu bewerkstelligen ist. Der größere Aufwand steckt in der Konzeption und den Vorüberlegungen für solche gezielten Ansprachen. Dafür gilt es, einzelne Zielgruppen innerhalb der Befragungspersonen zu identifizieren und zu differenzieren. Können die Motive zur Teilnahme für diese Personen herausgestellt werden und welche Mittel sind dafür notwendig? Wie müssen Formulierungen aussehen, damit sie die jeweiligen Personengruppen ansprechen? Nicht selten muss in zahlreichen Iterationen gerade an den Formulierungen gefeilt werden, weil sie oftmals zu abstrakt sind oder sich noch zu wenig am Sprachgebrauch der Befragungspersonen orientieren.
Neben den oben erwähnten formal notwendigen Materialien eines Anschreibens, die zur Information von Befragungspersonen zur Verfügung stehen, findet sich ein breites Spektrum an weiteren Materialien, die nicht nur informieren, sondern auch motivieren sollen.

Wenn unter Informationsaspekten die Gestaltung solcher Materialien die Seriosität einer Studie unterstreicht, dann spielt der optische Auftritt im Hinblick auf die Motivation eine ebenso wesentliche Rolle.

Neben den oben angesprochenen Gestaltungsaspekten wie Logo und Briefpapier sind Strategien für Umschlä- ge, Flyer, Karten, Formulare, aber auch der Auftritt im Internet zu bedenken. Umfangreiche Dokumentation eingesetzter Studienmaterialien finden sich beispielsweise beim British Household Panel (bit.ly/25xWduw) oder für die Studie Mobilität in Deutschland (www.mobilitaet-in-deutschland.de/downloads.html – oder auch hier im Heft auf Seite 46 unter „Nachgefragt und hochgerechnet“).

Teilnehmer gewinnen, Lücken schließen

Mit dem Ziel der Motivation werden im Feldverlauf weitere Anschreiben eingesetzt, die sich an Befragungspersonen richten, die noch nicht teilgenommen haben. Sie sind wesentlicher Bestandteil der Maßnahmen, mit denen die Ausschöpfung erhöht werden soll. In Form von Erinnerungsanschreiben richten sie sich an Befragungspersonen, die im Rahmen der Kontaktierungsbemühungen durch den Interviewer schwer erreichbar waren. Als sogenannte Konvertierungsanschreiben werden gezielt solche Personen angesprochen, die noch nicht überzeugt werden konnten. Mit diesem Anschreiben im Feldverlauf wird insbesondere die Arbeit der Interviewer unterstützt. Auch hier kommen wieder alle Variationen und Überlegungen zum Tragen, die den Kommunikationsstrategien der Erstanschreiben zugrunde liegen.
Mit zunehmender Befragungsmüdigkeit und niedrigen Ausschöpfungsquoten kommt den Erinnerungs- und Konvertierungsschreiben besondere Bedeutung zu. Unter dem Stichwort „Vermeidung selektiver Ausfälle“ soll mit dieser Strategie sichergestellt werden, dass alle Personengruppen erreicht werden und möglichst gemäß ihren Anteilen in der Bruttostichprobe vertreten sind. Erinnerungs- und Kontaktierungsschreiben sind in sozialwissenschaftlichen Studien nahezu fester Bestandteil im Studiendesign. Von den oben erwähnten 850.000 Versendungen bei infas aus 2015 diente jedes fünfte Anschreiben der Erinnerung oder Konvertierung in Studien.

In Kontakt bleiben

Sind Kommunikations- und Informationsstrategien in Querschnittbefragungen bereits umfangreich und aufwendig gestaltet, dann ist ein Vielfaches des Aufwands im Rahmen von Panelstudien zu betreiben. Wenn die erste Hürde der Teilnahme in der Erstbefragung genommen ist, konzentrieren sich alle Bemühungen im Panel darauf, mit Befragungspersonen über die Zeit in Kontakt zu bleiben und sie in jeder Welle erneut befragen zu können. Informations- und Motivationsaspekte gehen hier Hand in Hand.
Idealerweise erhalten alle Panelteilnehmer im Anschluss an ihre erste Befragung ein Dankschreiben, das oftmals zudem genutzt wird, um mögliche Incentives zu überreichen. Das Dankschreiben bildet an der Stelle eine Art Bestätigung, mit der die im Interview erhobene Panelbereitschaftserklärung noch einmal schriftlich rückgemeldet wird. Darüber hinaus wird mit den Dankschreiben die Bitte übermittelt, alle Änderungen der Kontaktdaten an das Institut zu melden.
Anschreiben zwischen den Erhebungswellen, die sogenannten Anschreiben im Rahmen der Panelpflege, informieren Befragungspersonen über den Fortgang eines Forschungsvorhabens und rufen die Studie wieder in Erinnerung. Sie fordern die Panelteilnehmer erneut auf, jegliche Änderungen der Kontaktdaten zu melden. Solche Anschreiben zwischen den Wellen werden als Grüße an bestimmte Ereignisse wie Geburtstage oder Weihnachten geknüpft. Über den Rücklauf unzustellbarer Anschreiben können in einem Panel rechtzeitig Recherchemaßnahmen eingeleitet werden, um verzogene Panelteilnehmer erneut aufzuspüren.
Dankschreiben und Panelpflegeanschreiben machten 2015 bei infas fast 30 Prozent des Versandvolumens aus.

Mehr Information und mehr Motivation

Ohne komplexe und variantenreiche Kommunikations- und Informationsstrategien sind heutzutage sozialwissenschaftliche Studien nicht mehr denkbar. Sie sind fester Bestandteil der Maßnahmen, mit denen die Teilnahmebereitschaft erhöht wird. Jedoch setzen sie voraus, dass die notwendige Technik und die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen.
Eingebettet in ein Sample-Management-System, so wie es bei infas mit dem infas-Sample-ManagementSystem (iSMS) zur Verfügung steht, kann der Versand flexibel und zeitnah aktiviert werden. Jeden Morgen werden für die Mitarbeiter aus dem Versand die abzuarbeitenden Versandaufträge aller laufenden Studien angezeigt. Im iSMS werden sämtliche Versandaktionen fallbezogen protokolliert und ergeben am Ende einen Versandverlauf, der sich mit den Kontakten, die die Interviewer protokollieren, kombinieren lässt. Daraus ergeben sich am Ende der Datenerhebung einerseits wichtige Informationen über den Bearbeitungsaufwand der Bruttostichprobe, andererseits stehen aus den Rückläufen unzustellbarer Anschreiben weitere Informationen zur Aufklärung von Nonresponse zur Verfügung, die bei Selektivitätsanalysen berücksichtigt werden können.
Bei den erforderlichen Mitteln sind es zum einen die Portokosten, die nicht unerheblich zu Buche schlagen. Die 850.000 Versendungen bei infas aus 2015 entsprechen einem Portovolumen von gut 700.000 Euro, das aus den Projektbudgets gezahlt werden musste. Nicht zu unterschätzen sind zum anderen die Mittel, die notwendig sind, um das ganze Set an Informationsmaterialien zu konzipieren und zu drucken. Der Trend zu computergestützten Erhebungen (CATI, CAPI und CAWI) hat nicht zu einer völligen Digitalisierung der Informationen geführt. Im Gegenteil, heutzutage werden eher mehr papierbasierte Informationsmaterialien gedruckt, die immer aufwendiger gestaltet werden.

Zum Weiterlesen:
1 Calderwood, Lisa (2013). Improving betweenwave mailings on longitudinal surveys:
A randomised experiment on the UK Millennium Cohort Study. Survey Research Methods 2013, Vol. 8, No 2, pp 99-108.
Dillman, Don A. (1978). Mail and Telephone Surveys: The Total Design Method. New York
2 Dillman, Don A., Smyth, Jolene D., Christian, Leah M. (2014). Internet, Phone, Mail and MixedMode Surveys: The Tailored Design Method, 4th edition. Hoboken, NJ.
3 Stoop, I., Koch, A., Halbherr, V., Loosveldt, G. & Fitzgerald, R. (2016). Field Procedures in the European Social Survey Round 8: Guidelines for Enhancing Response Rates and Minimising Nonrepsonse Bias. London: ESS ERIC Headquarters.