Der infas-Lebenslagenindex

Der Lebenslagenindex ilex ist ein von infas berechneter subjektiver Sozialindikator. Er stellt Informationen zur gesellschaftlichen Ungleichheit in Deutschland zur Verfügung. Die Trenderhebungen zeigen im Zeitverlauf Fortschritte oder Rückschritte der Lebenslagen der Bürgerinnen und Bürger. Sie verweisen auf Prozesse sozialer Exklusion sowie auf gruppenspezifische Risiken.

Der ilex erfasst die Dimensionen „Lebensbedingungen“, „individuelle Lage“ und „Zukunftserwartung“. Diese drei Subindizes werden additiv in einem Gesamtindex zusammengeführt. Der ilex wird seit 2007 nahezu jährlich in bislang 15 Wellen in bundesweit repräsentativen Bevölkerungsbefragungen mit jeweils unabhängigen repräsentativen Stichproben und einem Umfang zwischen 1.500 und 3.000 Interviews jährlich erhoben. Insgesamt liegen so bisher über 40.000 Interviews vor. Die Einstufung zum ökonomischen Status (in drei Kategorien von niedrig bis hoch) wurde anhand einer empirischen Matrix aus Haushaltsnettoeinkommen und gewichteter Haushaltsgröße vorgenommen

Alles stabil?

Aufschlussreichstes Ergebnis: eine hohe Stabilität und nur geringe Veränderungen. In der Zeitreihe zeigt sich wenig Dynamik. Dies beruhigt und sollte nicht überraschen. Lebenslagen unterliegen nur begrenzt kurzfristigen Veränderungen. Doch selbst die zurückliegenden Jahre geprägt durch Coronakrise und Krieg in naher europäischer Nachbarschaft mit finanziellen und anderen Folgen haben im ilex zunächst wenig verändert. Erst die aktuelle Erhebung 2023 signalisiert mit einem signifikanten Minus Veränderung. Dabei fällt der Rückgang in den drei ilex-Subdimensionen unterschiedlich aus. Am ehesten zeigt er sich bei den Zukunftserwartungen. Die Belastungen der Jahre 2020, 2021 und 2022 beginnen also vor allem in Sachen Zuversicht Spuren zu hinterlassen.

Das Diagramm zeigt die Zeitreihe von 2007 bis 2023 zum ilex

Rosige Zukunft?

Die dritte ilex-Subdimension subsumiert einige Einschätzungen der Zukunft. Dazu zählt auch die Frage nach den künftigen Lebensbedingungen – erhoben auf einer Skala von 1 = sehr schlecht bis 10 = sehr gut. Auch hier zeigt sich Stabilität über die Zeit. Doch ändert sich dies 2023 merklich. Die drei Stufen am negativen Skalenende binden fast 10 Prozent der Antworten statt eher 5 bis 8 wie in der Vergangenheit. Und das andere, positive 3er-Ende verliert. Es liegt „nur“ noch bei rund 30 Prozent Anteil, während zuvor oft an der 50-Prozent-Grenze gekratzt wurde.

Das Diagramm zeigt die Zeitreihe von 2007 bis 2023 zu den drei Subindizes des ilex

Wem geht es wie?

Das 2023 zu konstatierende Minus fällt nicht in allen Bevölkerungsgruppen gleich aus. Doch anders als möglicherweise erwartet sind es Mittel- und Oberschicht, die 2023 Verluste zu verzeichnen haben. Dieser Befund verlangt nach weiterer Beobachtung und vertiefter Interpretation. Doch unabhängig von einer solchen genaueren Sondierung legt er nahe, dass größerer individueller Wohlstand auch zu größerer Verlust- und Zukunftsangst führen kann. Die drei abgebildeten Gruppen hinsichtlich eines ökonomischen Haushaltsstatus wurden dabei anhand eines Äquivalenzeinkommens pro Kopf ermittelt und in die dargestellten Segmente unterteilt.

Grafik mit Ergebnissen des ilex. Überschrift: ilex nach ökonomischem Status. Hoher ökonomischer Status verliert deutlicher.

Die Mitte unter Druck?

Wie sich die drei Gruppen in der Zuordnung nach dem ökonomischen Haushaltseinkommens anhand des Äquivalenzeinkommens pro Kopf im Zeitverlauf entwickeln, zeigt eine weitere Zeitreihe. Auch sie signalisiert eher Stabilität. Doch drei Tendenzen sind erkennbar: die untere Gruppe wächst – von 15 bis 17 Prozent in den ersten der betrachteten Jahre auf rund 20 Prozent aktuell. Die obere Gruppe tut es ihr es abgeschwächt gleich und nimmt in der Tendenz ebenfalls leicht zu. Dies wirkt sich auf die mittlere Gruppe aus, die hier als Äquivalent zur Mittelschicht angesehen werden kann. Auch hier dominiert eher Stabilität als Dynamik, doch in der betrachteten Zeitreihe nimmt ihr Anteil von 70 Prozent auf nur noch gut 62 Prozent ab.

Ökonomischer Status nach Äquivalenzeinkommen. Die mittlere Gruppe verliefert im Laufe der Zeit 8 Prozentpunkte.

Wie sind die Lebenslagen in Haushalten mit Kindern?

Inzwischen leben nur noch in gut jedem vierten Haushalt Deutschlands Kinder. Und sie zeigen sich in der ilex-Zeitreihe als besondere Verlierer. Dieses Segment verliert von 2022 gegenüber 2023 fast acht Indexpunkte und steht nun bei einem ilex-Gesamtwert von 56. Dies ist ein größeres Minus als in anderen Haushaltstypen. So zeigen sich die reinen Erwachsenen-Haushalte mit Personen im Alter zwischen 30 und 64 Jahren im ilex entgegen dem Trend sogar stabil. Ob es sich dabei um einen Ausreißer handelt oder sich der Trend bestätigt, muss die ilex-Welle 2024 zeigen.

Grafische Darstellung. Überschrift: Der ilex in verschiedenen Haushaltskonstellationenn. Zweite Überschrift: Haushalte mit Personen unter 30 ohne Kinder stehen am besten da.

Auch geografisch kaum Unterschiede

Die Darstellungen legen den Fokus sowohl auf die oft beachtliche Stabilität, aber auch die aktuell zu beobachtenden Veränderungen. Dabei geht oft verloren, wo sich wenig tun oder Entwicklungen sehr ähnlich ausfallen. Ein Beispiel dafür ist die Unterscheidung nach Ost- und Westdeutschland. Der ostdeutsche ilex-Wert liegt stets etwa drei Punkte niedriger als der westdeutsche. Diese Differenz fällt größer aus als in der Unterscheidung Nord-Süd, die nur etwa ein Plus von einem Punkt für den Süden erbringt. Doch auch er ist möglicherweise geringer als oft erwartet und zeigt eher Nähe als Differenz.

Das Diagramm zeigt die Zeitreihe von 2007 bis 2023 zum ilex nach Ost- und Westdeutschland

Parteineigung und Lebenslagen

Anders sieht es aus, wenn die geäußerte Parteineigung herangezogen wird. Bekennende CDU/CSU- wie SPD- Wählerinnnen und Wähler rangieren im mittleren ilex-Bereich von rund 60 Punkten. Darüber stabil über der 60er-Marke liegen die Anhängerschaften der Grünen wie der FDP. Anders für Die Linke und die AfD. Ihre Wählerinnen und Wähler stehen im ilex eher im 40er-Bereich – knapp hinter den Nicht-Wählenden, die den 50er-Schwelle überschreiten. Die für 2023 und teils bereits 2022 beobachteten ilex-Veränderungen haben an dieser Reihenfolge nur wenig geändert. Alle Anhängerschaften verlieren gegenüber den Vorjahren Indexpunkte in ähnlichem Ausmaß. 

ilex nach Parteineigung. Anhänger der AfD eher niedrigere Lebenslagen.

Methodisches

Der infas-Lebenlagenindex (ilex) ist ein vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (Bonn) berechneter subjektiver Sozialindikator. Der ilex stellt Informationen zu gesellschaftlicher Ungleichheit in der Bundesrepublik zur Verfügung. Die Trenderhebungen zeigen im Zeitverlauf Fortschritte oder Rückschritte der Lebenslagen der Bürgerinnen und Bürger und weisen auf Prozesse sozialer Exklusion sowie auf gruppenspezifische Risiken. Der Index wird seit 2007 im Rahmen einer bundesweit repräsentativen Bevölkerungsbefragungen gemessen. Grundlage ist eine jährliche telefonische Befragung mit mindestens 1.500 Personen ab 18 Jahren in Deutschland (ADM-Zufallsstichprobe, Dual Frame). Bei der Errechnung des Index gehen differenzierte Angaben zu wirtschaftlichen Lebensbedingungen, zur Einschätzung der eigenen Lage und zu individuellen Zukunftserwartungen ein. Mittels multivariater Berechnungen werden die Einzelangaben zu einer Maßzahl mit Werten zwischen 0 und 100 verdichtet (wobei „0“ eine schlechteste Lebenslage und ein Indexwert von „100“ eine beste Lebenslage bezeichnet). Lebenslagen definieren sich nicht allein durch Einkommen und Vermögen. Es geht auch um die Verteilung von Gesundheit und Bildung, Erfolg und Macht, gesellschaftlicher Integration und beispielsweise des Gefühls der Selbstverwirklichung..