Survey-Innovationen

Entwicklungen in der sozialwissenschaftlichen Forschung auf verschiedenen Ebenen begründen die Anforderung an immer mehr, komplexeren und zeitgemäßen computerbasierten Erhebungsmethoden sowie damit einhergehenden Messinstrumenten. Um dieser Anforderung an Innovationen auch strukturell und organisatorisch Rechnung zu tragen, haben wir den Fachbereich „Survey-Innovationen“ etabliert.

In Abgrenzung zur Survey-Methodologie ist die Aufgabenstellung des Fachbereichs übergreifender und weiter gefasst. So liegt der Fokus nicht auf der Untersuchung von Fehlerquellen bzw. deren Vermeidung, Minimierung oder Korrektur, sondern vielmehr in der Konzeption neuer Verfahren und/oder Kombinatorik bereits bestehender Verfahren zur Messung sozialwissenschaftlicher Sachverhalte. Derartige neue Verfahren oder neue Kombinationen müssen dann selbstredend entsprechend surveymethodologisch evaluiert werden. Dabei folgen wir im Grunde dem von Schumpeter in Bezug auf Innovation formulierten Prinzip „the doing of new things or the doing of things that are already done, in a new way“.

Kaum eine von infas durchgeführten Studien kommt ohne computerbasierte Erhebungsinstrumente aus, wobei diese auch zunehmenden in einem Mixed-Mode-Design eingesetzt werden. Die Anforderungen seitens der Auftraggeber in diesem Bereich nehmen stetig zu. Irritierend ist dabei zu sehen, dass oftmals auch in der akademischen Forschung auf Online-Stichproben zugegriffen werden soll, die dann unreflektiert als „repräsentativ“ deklariert werden.

Auch wenn „non probability samples“ für bestimmte Fragestellungen ihre Berechtigung haben, führt kein Weg an einer Zufallsstichprobe vorbei, wenn ein genaues Abbild der Meinungen oder Einstellungen der Bevölkerung erhoben werden sollen, was für die meisten durch infas durchgeführten Studien zutrifft.

Eng verknüpft mit der Problematik computerbasierter Erhebungsinstrumente ist vor allem auch die Frage nach den Stichproben, die der jeweiligen Erhebungsmethode zugrunde liegen. Eine Lösung der Zusammenführung von unterschiedlichen Stichproben, in Analogie zum Dual-Frame-Ansatz bei Telefonstichproben als „Triple Frame“ ist noch ungelöst und bedarf einer wissenschaftlich fundierten Antwort, weil die Verbreitung von „non probability samples“ zunimmt.

Zusätzlich verändert sich durch neue Entwicklungen in der Technik auch das Verständnis von Messung. Vieles kann automatisch, ohne Zutun von Befragten gemessen (Passiv-Messung) und auch verarbeitet werden, sodass sich ein neues Verhältnis von über Devices aufgezeichneten Messungen einerseits und über Befragungen ermittelte Messung andererseits, ergibt. Daraus folgen neue Herausforderungen für das Gütekriterium der Konstruktvalidität (Reliabilität und Validität).

Diesen und zahlreichen weiteren Fragestellungen, die sich aus der Weiterentwicklung der empirischen Instrumente, neuer sozialwissenschaftlicher Forschungsfragen und gesellschaftlichen Veränderungen, die den Zugang zu objektivierbaren Daten teils erschweren, teils erleichtern, stellt sich der Fachbereich „Survey Innovationen“.

Ein Themenfeld des Fachbereichs Survey-Innovationen stellen (sozial-)wissenschaftliche Apps dar. infas verfügt selbst über die Panel-App „my infas“, welche für das Tracking und die Panelpflege im Rahmen von Panelstudien entwickelt wurde. Jedoch wissen wir noch recht wenig darüber, wer die Nutzer solcher Apps sind, wie man solche Apps möglichst effizient einsetzt und welche Inhalte über eine solche App in welchen Intervallen dargeboten werden müssen. Hier gilt es also künftig verschiedene Konzepte und Ansätze mit unterschiedlichen Populationen zu erproben und eine empirische Basis für weitere Entwicklungen zu schaffen.

Screenshot my infas

Darüber hinaus stellt sich hierbei auch die Frage, welche weiteren Apps beispielsweise für passive Messungen zum Einsatz kommen können und welche Daten sich damit wie valide erheben lassen. Auch das Thema der Akzeptanz solcher Apps seitens der Teilnehmenden ist ein noch nicht ausreichend beleuchteter Aspekt, der ggf. zu Selektivitäten bei der Messung führen kann. Ein erfolgreiches Beispiel für den Einsatz einer Smartphone-App in der empirischen Forschung ist die mobico-App in der infas-Mobilitätsforschung.

Haushaltsbefragungen, aber auch Unternehmensbefragungen, bei denen Antworten von verschiedenen Personen zusammengeführt werden müssen, werden schnell komplex. Zunächst muss die Haushaltszusammensetzung aufgenommen werden, aus welcher sich dann ableitet, wie viele und ggf. welche Personen befragt werden sollen. Wie können hier mehrere Personen auf einen Fragebogen zugreifen oder wie werden adaptiv verschiedene Fragebögen für die Personen angelegt? Wie wird der Zugang (Link und Passwort) zum Fragebogen an die verschiedenen Personen verteilt? Ähnliche Fragen stellen sich im Rahmen von Betriebsbefragungen. Bei diesen kommt es häufiger vor, dass Informationen von verschiedenen Personen eingeholt werden müssen, da nicht ein Ansprechpartner alle Aspekte kennt. Hier können mittels eines Delegationsprinzips einzelne Fragebogenteile von der Ankerperson im Betrieb selbstständig an eine andere Person im Betrieb delegiert werden. Der Fragebogen ist dabei nicht linear, was neue Herausforderungen für die Filterführung und Darstellung gefilterter Fragen nach sich zieht. Zugleich eröffnet ein nichtlinearer Fragebogen aber auch neue Möglichkeiten bei der Aufteilung und Darstellung einzelner Kapitel eines Fragebogens.

Ähnliche Fragen stellen sich im Rahmen von Betriebsbefragungen. Bei diesen kommt es häufiger vor, dass Informationen von verschiedenen Personen eingeholt werden müssen, da nicht ein Ansprechpartner alle Aspekte kennt. Hier können mittels eines Delegationsprinzips einzelne Fragebogenteile von der Ankerperson im Betrieb selbstständig an eine andere Person im Betrieb delegiert werden. Der Fragebogen ist dabei nicht linear, was neue Herausforderungen für die Filterführung und Darstellung gefilterter Fragen nach sich zieht. Zugleich eröffnet ein nichtlinearer Fragebogen aber auch neue Möglichkeiten bei der Aufteilung und Darstellung einzelner Kapitel eines Fragebogens.

Schaubild: Delegationsprinzig

In der Regel sind computerbasierte Erhebungsinstrumente linear programmiert, d.h. die Reihenfolge der einzelnen Themenblöcke und/oder Fragen wird durch das Instrument fest vorgegeben. Diese Linearität ist beispielsweise bei der Verwendung des Delegationsprinzips im Rahmen von Unternehmensbefragungen nicht gegeben. Der Fragebogen muss in einer beliebigen, nicht-linearen Reihenfolge bearbeitet werden können. Das betrifft sowohl die Themenblöcke, als auch die einzelnen Fragen. Dies liegt darin begründet, dass sich eine Auskunftsperson ja zunächst einen Überblick über die Themen und Fragen verschaffen muss, um dann entscheiden zu können, ob sie alle Informationen vorliegen hat oder einzelne Themen an Kolleginnen oder Kollegen delegieren muss. Dies schließt letztendlich aber auch nicht aus, dass der Fragebogen linear bearbeitet wird, beispielsweise im Fall einer interviewergestützten Erhebung.

Auch lässt sich durch die Programmierung eines nicht linearen Fragebogens ein Papierfragebogen leichter adaptieren. In diesem sind die Fragen auch in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, in welcher Reihenfolge dieser aber letztendlich beantwortet werden, kann nicht vorgegeben werden. Jedoch kann die Auskunftsperson sich zunächst einen Überblick über die Themenblöcke und die einzelnen Fragen verschaffen, bevor diese mit dem Ausfüllen des Fragebogens beginnt. Das lässt sich mit einem nicht-linearen, computerbasierten Erhebungsinstrument auch realisieren.

Vor allem in CAWI-Erhebungen sollen immer mehr Inhalte erhoben werden, die bislang klassisch nur intervieweradministriert erhoben wurden. Dies liegt häufig an der Komplexität der dafür verwendeten Instrumente.

Ein gutes Beispiel ist dabei die Erfassung von episodischen Daten im Rahmen der Lebensverlaufsforschung. Zunächst stellt sich die Frage, wie die Instrumente zu gestalten sind, damit diese selbstadministriert auf allen möglichen Geräten bearbeiten werden können. Inhaltlich kommen hierbei wieder zwei konkurrierende und nicht neue Ansätze zum Tragen: Werden die verschiedenen Episoden chronologisch oder thematisch abgearbeitet? Oder verwendet man beide Ansätze und überlässt die Entscheidung bei selbstadministrierten Instrumenten der Befragungsperson selbst? Dann müsste das Instrument allerdings beide Ansätze berücksichtigen. Eine weitere Herausforderung stellt die grafische Visualisierung der erhobenen Daten dar, die zumeist auf Lücke und Überschneidungen geprüft werden sollen. Gerade vor dem Hintergrund von CAWI als Multi-Device-Survey stellt dies besondere Herausforderungen an die Responsivität des Erhebungsinstruments.

In Online-Erhebungen sollen immer häufiger Inhalte erhoben werden, die bislang klassisch nur intervieweradministriert erhoben wurden, weil die Komplexität der Instrumente das erforderte. Bei einem derartigen Methodenwechsel reicht ein einfacher Online-Fragebogen nicht. Vielmehr benötigt der Befragte Unterstützung durch die Anwesenheit eines Interviewers. Computer Assisted Self Interviews (CASI) sind dafür ein möglicher Weg. Diese gewinnen analog auch im Rahmen von CAPI-Erhebungen an Bedeutung. Digitale Erhebungsinstrumente, die nicht nur abfragen, sondern den Befragten unterstützend begleiten, sind ein Thema im Expertisebereich Survey-Innovationen.

Online-Erhebungen sind aus der sozialwissenschaftlichen Forschung nicht mehr wegzudenken. Diese stellen jedoch, obwohl längst etabliert, hinsichtlich der Befragungsinstrumente weiterhin kontinuierlich eine Herausforderung dar, da sie sich nicht mehr nur – wie noch in den 2000er Jahren – auf Desktop-PCs beschränken. Der Zugriff auf Webinhalte findet inzwischen über die verschiedensten Gerätetypen statt, weshalb auch von Mixed-Device-Surveys gesprochen werden muss. infas erweitert kontinuierlich seine Expertise, verschiedene Endgeräte bei der Entwicklung und Umsetzung von passenden Erhebungsinstrumenten zu berücksichtigen und optimal einzusetzen.
Aufgrund der Digitalisierung und neuerer Entwicklungen in der Technik verändert sich das Verständnis von Messung. Vieles kann automatisch, ohne Zutun von Befragten gemessen (Passiv-Messung) und auch verarbeitet werden, so dass sich ein neues Verhältnis von über mit Geräten aufgezeichneten Messungen einerseits und über Befragungen ermittelte Messung andererseits, ergibt. Daraus folgen neue Herausforderungen für das Gütekriterium der Konstruktvalidität (Reliabilität und Validität).

Noch ist es ein Zukunftsszenario, aber perspektivisch werden fremdadministrierte Interviews ohne (menschliche) Interviewer denkbar sein. So schreiten die Entwicklungen von Sprachassistenten und damit verbunden künstlicher Intelligenz immer weiter und schneller voran. Lassen sich derartige Systeme auch für die Interaktion „Interview“ nutzen? Würden derartige Ansätze von potenziellen Befragten überhaupt akzeptiert? Aber auch mit Blick auf selbstadministrierte Erhebungsmethoden wäre vorstellbar in Form von Avataren eine Assistenz während der Befragung anzubieten. Wie müssten derartige Avatare gestaltet werden? Welche Aufgabe könnten solche Avatare überhaupt übernehmen? Hier schließen sich an die enormen technischen Herausforderungen eine Reihe methodischer Fragen an, die es systematisch zu untersuchen gilt.

Bei allen Fragen, mit denen sich der Fachbereich-Survey-Innovationen beschäftigt,  muss ein weiteres und immer präsenter werdendes Thema berücksichtigt werden: die Barrierefreiheit. Viele Lösungen – vor allem im Bereich der Onlineerhebungen – berücksichtigen diesen Aspekt nicht oder nur unzureichend. Dies liegt vor allem darin begründet, dass es für die Umsetzung keinen einheitlichen technischen Standards gibt. Auch die inhaltliche Ausgestaltung oder die inhaltlichen Anforderungen sind in vielen Aspekten nur vage definiert. Ebenso bedeutet Barrierefreiheit aktuell auch technisch noch einen „Verzicht“. Viele technische Lösungen sind an sich schon nicht barrierefrei. Diese technischen Lösungen stellen für nicht beeinträchtigte Menschen jedoch häufig einen Gewinn an Usability dar. Hier stellt sich vor allem die Frage, wie dieses Problem technisch so gelöst werden kann, dass jedes Instrument barrierefrei ist, ohne die Kosten für die Instrumentenerstellung deutlich zu erhöhen und die Usability zu verschlechtern.  

Eine weitere Herausforderung im Rahmen von CAWI-Erhebungen stellt die Rekrutierung oder Ermittlung weiterer Befragungspersonen mittels eines Schneeballverfahrens dar. Aktuell werden hier vor allem auch Ansätze im Rahmen von Respondent-driven sampling (RDS) beispielsweise für die Analyse von sozialen Netzwerken diskutiert.

Hier gilt es neben einer anwenderfreundlichen Lösung, die vor allem hohe Anforderungen an die Usability stellt, auch datenschutzrechtliche Anforderungen zu berücksichtigen. Aber auch Fragen nach der Akzeptanz solcher Verfahren bei den Befragungspersonen müssen in den Fokus der weiteren Entwicklungen genommen werden. Neben den enormen technischen und datenschutzrechtlichen  Herausforderungen schließen auch hier eine Reihe methodischer Fragen an, die systematisch untersucht werden müssen.

Der Öffentliche Nahverkehr spielt für das Erreichen von Klimazielen oder die künftige Sicherstellung der Mobilität in Ballungsräumen und ländlichen Gebieten gleichermaßen eine bedeutende Rolle. Zugleich steht der ÖPNV in starkem Wettbewerb mit dem Individualverkehr und mit den neuen Mobilitätsdienstleistungen.